Puzzles in der Ergotherapie – Experten im Gespräch

von Jasmin 27. Januar 2015
Puzzles in der Ergotherapie – Experten im Gespräch

Warum man beim Puzzeln neben dem Spaß am Spielen auch etwas für seine geistige Fitness tut, haben wir euch bereits in diesem Artikel erklärt. Und gerade, weil das Legen von Puzzles Körper und Geist trainiert, werden sie auch in der Ergotherapie eingesetzt. Wir haben uns mit den staatlich anerkannten Ergotherapeuten Kathrin Mahnke, Kerstin Fichtl und Christian Floth von der Praxis ergofloth darüber unterhalten.

Die Ergotherapie ist ein medizinischer Heilberuf und hilft beeinträchtigen Menschen, körperliche und geistige Einschränkungen im Alltag zu beseitigen. Diese Probleme können beispielsweise durch Verletzungen, Krankheiten oder Entwicklungsverzögerungen entstanden sein. Christian Floth auf die Frage nach der Rolle von Puzzles in der Ergotherapie: „Wir lassen unseren Patienten aller Altersstufen regelmäßig Puzzles legen, denn dadurch werden Kognition, Feinmotorik sowie visuelles Erkennen geschult.“

Welche Fähigkeiten durch das Puzzeln trainiert werden

Im kognitiven Bereich werden durch die Beschäftigung mit Puzzles sowohl die allgemeine Gedächtnisentwicklung als auch die Konzentration gefördert. Kathrin Mahnke dazu: „Es geht nicht nur um die Fähigkeit, sich überhaupt auf eine Sache konzentrieren zu können. Das Legen eines Puzzles zielt auch darauf ab, die kognitive Ausdauer, also die Konzentrationsfähigkeit, über einen längeren Zeitraum zu erhöhen.“
Puzzeln und Feinmotorik Beeinträchtigungen im feinmotorischen Bereich dagegen werden insbesondere durch das Greifen der Puzzleteile sowie das Drehen in die richtige Position therapiert. „Wichtig ist das beispielsweise, um das richtige Führen eines Stiftes wieder zu erlernen, etwa nach einer Handverletzung“, so Christian Floth.

Kerstin Fichtl hebt den Wert von Puzzles besonders für die Schulung im visuellen Bereich hervor: „Durch das Legen eines Puzzles trainieren die Patienten etwa, die Gestalt auf dem Motiv zu erschließen oder eine abgebildete Figur vom Hintergrund abzugrenzen. Entscheidend ist hier auch das Erkennen von Zusammenhängen. Der Patient nimmt Farbe und Form des Puzzleteils wahr. Mit der Zeit lernt er schneller abzuschätzen, ob das Puzzleteil die richtigen Nasen und Farben besitzt, um zum Gegenstück zu passen.“

Warum die Wahl des Motivs entscheidend ist

Wie beim Spielen im privaten Bereich kommt dem Motiv des Puzzles auch in der Ergotherapie eine große Bedeutung zu. Frau Mahnke zufolge soll es einen Anhaltspunkt über die richtige Position der einzelnen Puzzleteile geben: „Zeigt das Motiv etwa einen Menschen, dann weiß der Patient, dass sich beispielsweise der Kopf irgendwo im oberen Bereich des Puzzles befinden muss. Das erleichtert das Legen des Puzzles und Erfolgserlebnisse stellen sich schneller ein.“

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Allgemein hat das Motiv den größten Einfluss auf die Motivation beim Puzzeln. Fotopuzzles bieten an dieser Stelle besondere Möglichkeiten. Denkbar sind Motive mit persönlichem Bezug, beispielsweise ein Foto aus der Vergangenheit, von der eigenen Familie oder von Freunden. „Bei Kindern sind beispielsweise Fotos vom Lieblingstier beliebt. Oder auch Traktoren, für die sich Jungen oft begeistern. Zeigt das Puzzle dann den Traktor des eigenen Großvaters, spornt sie das zusätzlich an“, berichtet Herr Floth. Vorteile von bekannten Bildmotiven sieht er insbesondere bei älteren Menschen: „Beispielsweise bei Demenz- oder Alzheimerpatienten können dadurch Erinnerungen an die Vergangenheit geweckt werden, was wiederum Gesprächsstoff für Unterhaltungen bietet.“

Was bei Anzahl und Größe der Puzzleteile zu beachten ist

Allgemeingültige Aussagen über die optimale Anzahl der Puzzleteile sind Christian Floth zufolge dagegen schwer möglich. „Für Kinder existieren verschiedene Entwicklungstabellen, die genau beschreiben, ab welchem Alter ein Kind dazu in der Lage sein sollte, ein Puzzle einer bestimmten Größe zu legen. Je nach Förderung und Erfahrung mit Puzzles und der Motivation des Kindes ist es letztendlich aber sehr schwer zu sagen, ab wann ein Kind etwa ein 100-teiliges Puzzle legen kann. Besonders bei großen Puzzles geht es meist nicht mehr nur um die Fähigkeit, das Puzzle legen zu können. Entscheidend ist dann die kognitive Ausdauer, sich mit dem Puzzle über eine längere Zeit zu beschäftigen.“
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Demenzpatienten sind meist nur dazu in der Lage, Puzzles mit einigen wenigen Teilen zu legen. Bei ihnen, aber auch bei Kindern, achten die Ergotherapeuten außerdem auf die Größe der einzelnen Puzzleteile. Frau Mahnke erklärt: „Wie bei der Wahl der Teilezahl sind immer die Eigenheiten des einzelnen Patienten zu berücksichtigen. In jedem Fall sollten die Teile groß genug sein, um einen möglichst konkreten Teil des Motivs erkennen zu lassen und damit das Zuordnen zur richtigen Position im Gesamtbild zu erleichtern.“

Wann Hilfestellungen gegeben werden sollten

Eltern stellen sich oft die Frage, ob sie beim Puzzeln eingreifen und helfen sollten, wenn ihr Kind nicht selbständig weiterkommt. Christian Floth dazu: „Wenn man einem Kind ein altersentsprechendes Puzzle gibt, kommt es damit in der Regel sehr gut alleine zurecht. Um eventuell die Motivation aufrecht zu erhalten, kann ab und zu schon mal bei einem Teil geholfen werden. Dadurch sieht das Kind, dass sich das Ganze entwickelt und irgendwann ein konkretes Objekt entsteht. Wann genau man eingreifen kann oder sollte, ist aber von Situation zu Situation unterschiedlich.“ Frau Fichtl ergänzt jedoch: „Bei älteren Menschen sollte man möglichst wenig eingreifen, denn sie wissen bereits von ihrer eigenen Beeinträchtigung. Hilft man ihnen beim Puzzeln, nehmen sie diese noch deutlicher wahr. Das demotiviert sie dann eher.“

Ihr seht also, dass Puzzles sehr vielfältig eingesetzt werden können und sie vielen Menschen weiterhelfen können – auch neben dem bloßen Spaß am Spielen. Einen herzlichen Dank nochmal an unsere drei Experten für das Gespräch.

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